Samia

Samia aus Somalia

Ich war 17Jahre alt und verliebt in Ahmed. Mein Freund Ahmed betrieb einen kleinen Straßenhandel mit Süßigkeiten in Mogadishu/Somalia im Stadtteil Hamar-Weyne, wobei ich ihm bald hin und wieder half.

lm Februar 2010 stürmte die Miliz Al Shabab mit sechs Männern das Haus” der Eltern meines Freundes, um ihn als Soldat zu rekrutieren und sich das Haus anzueignen. Sein Vater weigerte sich. Darauf erschossen die Männer den Vater und auch die Mutter meines Freundes. Ahmed weigerte sich, als künftiger Kämpfer mit ihnen zu gehen. Die Al Shabab-Kämpfer stießen ihn mit einem Gewehrkolben in den Rücken, sodass er zu Boden ging. Nun traten sie ihn mit ihren Militärstiefeln in die Nierengegend, bis er das Bewusstsein verlor. Danach war er ca. 4 Wochen bettlägerig. Wir mussten ihn bei Freunden verstecken.

Ich führte seinen kleinen Straßenhandel inzwischen weiter. Immer öfter kamen nun die Al Shabab-Leute vorbei und fragten mich nach Ahmed. Weil ich ihnen keine Auskunft gab, schlugen sie mich regelmäßig.

Ahmed und ich sahen keine Zukunft für uns in Somalia. Wir lebten in ständiger Angst. Am 03.04.2010 heirateten wir. Fünf Tage später verließ mein Mann Mogadishu auf der Ladefläche eines LKW in Richtung Küste, nach Puntland, zum Hafen Boosasso. lch folgte ihm eine Woche später. Wir kauften Tickets für die Überfahrt mit einem Boot nach Aden/Jemen.

In Aden fand ich Arbeit in einem Hotel, während mein Mann als Autowäscher arbeitete. Wir wohnten zusammen in einem winzigen Verschlag in einem Slam aus zusammengeschusterten Hütten und Verschlägen. Die Zustände waren schlimm. Nach einem Jahr hatten wir etwas Geld zusammengespart. Wir entschlossen uns, dass mein Mann sich auf den Weg nach Europa machen sollte. Für beide reichte das Geld nicht. Ich sollte nachkommen, wenn er Arbeit gefunden hätte. Wir hofften, das würde höchstens zwei Jahre dauern. Aber es kam anders. Es dauerte bis 2021, bis ich endlich meinem Mann nach Deutschland folgen konnte.

Für eine Frau ist es im Jemen sehr gefährlich alleine zu leben. ich ging weiter meiner Arbeit nach, bis ich eines Tages von Kämpfern einer Miliz überfallen und zusammen mit anderen Frauen vergewaltigt wurde - immer wieder. Ich dachte, dass ich nicht weiterleben könne...eigentlich wollte ich auch tot sein. Freunde brachten mich zu einer jemenitischen Familie. Hier arbeitete ich als Haushaltshilfe. Doch die Familie behandelte mich schlecht. Ich wurde oft geschlagen. Sie verlangten von mir, dass ich mich beschneiden ließe. Ich hatte furchtbare Angst, aber ich musste es tun. Es war sehr schmerzhaft. Die Familie hielt mich wie eine Gefangene. Ich durfte das Haus nicht verlassen. Versuchte ich nach draußen zu gehen, bekam ich Schläge. Lohn bekam ich auch nicht.

Als der Krieg begann wurde alles noch schlimmer. Das Essen wurde immer weniger. Dazu kam, dass ich schreckliche Nierenschmerzen bekam. Es folgte eine ambulante Nierenoperation. Ich dachte wirklich, dass ich das nicht überleben würde. Aber ich wurde gesund.

Die einzige Verbindung nach draußen war mein Handy. So konnte ich mit meinem Mann in Verbindung bleiben. Aber alle WhatsApp-Anrufe wurden von der Familie kontrolliert.

Im Jahr 2018 durfte mein Mann in Deutschland endlich einen Antrag auf Familiennachzug stellen. Einmal war die Familie zu einer Hochzeit eingeladen. Ich blieb allein im Haus zurück und konnte fliehen. Ich rettete mich zur Organisation IOM. Hier konnte ich auch erst mal wohnen. Sie unterstützten mich auch, dass ich für drei Tage nach Somalia zurückkehren konnte um meine fehlenden Papiere zu besorgen. Mein Mann zahlte alle Kosten für mich. lm Juli 2019 musste ich nach Nairobi in Kenia ausreisen, da es wegen des Krieges im Jemen keine Deutsche Botschaft mehr gab. Hier wollte ich warten, bis ich nach Deutschland ausreisen durfte. Ende Juli 2019 flog mein Mann während seines Urlaubs nach Nairobi um mich zu treffen. Wir waren 3 Wochen überglücklich. Er suchte für mich ein Zimmer in einem Haus, musste aber dann wieder zurück nach Deutschland. Bald merkte ich dass ich schwanger war. Und immer noch wartete ich auf die Ausreise.

Am 26.03.2020 wurde unser Sohn Somane, 7 Wochen zu früh, in Nairobi ambulant im Krankenhaus geboren. Mein Mann zahlte Miete und Arztkosten für unseren kleinen Sohn und mich. Erst am 03.10.2021 durften wir nach Deutschland ausreisen.

11 Jahre waren vergangen, seit wir aus unserer Heimat geflohen waren.